Voller Saal bei unserer Veranstaltung mit Heinz Bierbaum.
Neben einer Übersicht über die unterschiedlichen linken Parteien und Bewegungen in Europa, erläuterte Heinz Bierbaum seine Position zu einer notwendigen gemeinsamen Europapolitik. Diese Position ist auch in einem Artikel vom 27.08.2018 im Blog die-zukunft.eu wiedergegeben, den wir hier dokumentieren.
Europa muss zu einem positiven Bezugspunkt für die Linke werden
Bisher hat sich die Partei um die Europa-Frage eher gedrückt. Dabei ist sie von essentieller Bedeutung für die Linke insgesamt
In ihrem Interview https://die-zukunft.eu/wir-muessen-die-eu-vom-kopf-auf-die-fuesse-stellen/ appelliert die Fraktionsvorsitzende der GUE/NGL Gabi Zimmer an die Partei DIE LINKE, dass sie sich endlich zu den bevorstehenden Wahlen zum Europäischen Parlament positionieren müsse. Der vorgesehene Europa-Parteitag käme viel zu spät. Jetzt müsse die Klärung der strittigen Fragen stattfinden. Nun ist es keineswegs so, dass die Partei sich um die Wahlen nicht kümmern würde. Gegenwärtig findet intern eine intensive Debatte zum Programm zu den Europawahlen statt. Das mag etwas spät sein und möglicherwiese auch die Partei insgesamt noch nicht ausreichend erfassen, aber die Bemühungen um eine Positionierung sind ohne Zweifel da. Dennoch trifft die Kritik von Gabi Zimmer einen ganz wesentlichen Punkt. Bisher hat sich die Partei um die Europa-Frage eher gedrückt. Dabei ist sie von essentieller Bedeutung für die Linke insgesamt. Um hier weiter zu kommen, ist es notwendig, sich über die doch sehr unterschiedlichen Einschätzungen und Positionen zur europäischen Entwicklung klar zu werden.
Die Auffassungen innerhalb der Partei DIE LINKE reichen von einer generellen Ablehnung der EU als einer Institution neoliberaler Exekutionsmacht, die die einzelnen europäischen Länder knechtet, bis hin zur Forderung nach der Errichtung einer Europäischen Republik. Die Frage, ob die EU reformfähig ist, wird höchst kontrovers beantwortet. Auch auf Ebene der europäischen Linken gibt es ganz unterschiedliche Strategieansätze, die aus unterschiedlichen Einschätzungen der EU resultieren. Deutlich wird dies an dem bereits 2015 von Jean-Luc Mélenchon propagierten Plan B. Unter der Voraussetzung, dass die EU demokratisch nicht reformierbar ist, sieht Plan B den Ausstieg aus dem Euro und gegebenenfalls der EU und damit die Rückkehr zu mehr nationaler Souveränität vor. Dieser Plan B wurde in mehreren europaweiten Konferenzen ausgiebig diskutiert und findet auch in der Partei DIE LINKE Resonanz. France Insoumise zusammen mit dem portugiesischen Linksblock und Podemos in Spanien rufen zum Ungehorsam gegenüber den Europäischen Verträgen auf. Sie fordern eine „Revolution Citoyenne“. Mehrere skandinavische Linksparteien unterstützen dies inzwischen. Yanis Varoufakis hat ausgehend von den griechischen Erfahrungen mit DiEM25 eine Bewegung zur Demokratisierung Europas ins Lbene gerufen, die ebenfalls europaweit Unterstützung findet. Die Partei der Europäischen Linken (EL) hat einen Entwurf für ein Manifest mit dem Titel „Build a different Europe“ erarbeitet, das Ende September verabschiedet werden soll. Dies zeigt sehr deutlich, dass erhebliche Kontroversen in der europäischen Frage bestehen, was Auswirkungen auf die Positionierung bei den Wahlen zum Europäischen Parlament hat.
Notwendig ist, dass die europäische und auch die deutsche Linke Formen findet, um diese Debatte zu führen, ihr nicht aus dem Wege zu gehen und trotz unterschiedlicher Positionen zu einer gemeinsamen Strategie im Hinblick auf die Europawahlen zu kommen. Das für November vorgesehene und von der EL organisierte Europäische Forum in Bilbao könnte dafür eine Plattform sein. Ob es allerdings auf europäischer Ebene gelingt, dass die Linke sich auf eine gemeinsame Strategie verständigt, ist fraglich. Der von der Parti de Gauche und damit von France Insoumise geforderte Ausschluss Syrizas aus der EL wegen ihrer als neoliberal gegeißelten Regierungspolitik macht dies deutlich.
Doch es sollte nicht vergessen werden, dass trotz unterschiedlicher Einschätzungen und Strategien es eine ganze Reihe von gemeinsamen Positionen im Hinblick auf eine linke europäische Politik gibt. Dazu zählt der Bruch mit der neoliberalen Austeritätspolitik, die Aufhebung des Fiskalpakts und ein auf den gesellschaftlichen Bedarf gerichtetes Investitionsprogramm, soziale Absicherungen, eine stärkere Kontrolle der Finanzmärkte, eine solidarische Migrationspolitik und vor allem die Ablehnung der Militarisierung Europas. Ohne näher ins Detail zu gehen, scheinen mir die Gemeinsamkeiten für eine dann auch gemeinsame politisch-programmatische Plattform durchaus ausreichend zu sein. Doch damit ist noch nicht gesichert, dass die Linke europaweit als eigenständige politische Kraft sowohl gegenüber der Rechten mit ihrem Nationalismus und Rassismus als auch gegenüber der neoliberalen Politik wahrgenommen wird.
Die deutsche Linke steht vor der Notwendigkeit, im Hinblick auf die Europawahlen ein eigenständiges europäisches Profil zu entwickeln. Dazu gehört mehr als die Erarbeitung einer inhaltlichen Programmatik. Dazu bedarf es einer Verständigung über ein linkes Bild von Europa. Was für ein Europa will die Linke. Die in der Partei vorherrschende harte Kritik an der neoliberalen Austeritätspolitik, die Ablehnung von Verträgen, die Basis einer solchen Politik sind, und die Skepsis gegenüber einer immer undemokratischeren und sich zunehmend militaristisch gebärdender EU sind zweifellos berechtigt. Doch darf man es nicht bei der Kritik belassen, sondern man muss dies mit eigenen Vorstellungen zu Europa verbinden. Die Linke darf nicht in die vom politischen Gegner aufgestellte Falle „Für oder gegen Europa“ tappen. Sie muss vielmehr deutlich machen, dass man ein anderes Europa will, das es denn auch darzustellen gilt. Auch sind die je spezifischen sozio-ökonomischen Bedingungen zu berücksichtigen, die in der Bundesrepublik andere sind als etwa im europäischen Süden. Von daher kann eine wie auch immer geartete Exit-Strategie keine Option für DIE LINKE sein. DIE LINKE sollte in klarem Gegensatz zur Rechten und zur herrschenden Politik sowie in Absetzung von den anderen Parteien das Bild eines Europa zeichnen, das nicht nur sozial und friedlich werden muss, wie dies Gabi Zimmer zurecht fordert, sondern das auch zukunftsfähig ist, mithin für die Menschen eine Perspektive bietet. Dazu gehören neben der Ablehnung der Militarisierung und der Forderung nach sozialen Mindeststandards eben auch eine Wirtschaftspolitik, die ökologische Erfordernisse aufgreift und am gesellschaftlichen Bedarf ausgerichtet ist, sowie eine umfassende Demokratisierung der politischen Entscheidungsstrukturen. Europa muss zu einem positiven Bezugspunkt für die Linke werden. Das Europa, das die Linke anstrebt, unterscheidet sich fundamental von der gegenwärtigen EU. Dazu braucht es auch andere vertragliche Grundlagen, zu deren Veränderungen allerdings zuerst einmal das notwendige gesellschaftliche und politische Klimas geschaffen werden muss. Dazu beizutragen, ist wesentliche Aufgabe der Linken. Es bedarf dazu einer gründlichen und auch kontroversen Diskussion, wie dies zu erreichen ist. Entscheidend scheint mir aber zu sein, dass die Linke jenseits ihrer Kontroversen sich darauf verständigt, was sie für ein Europa will und darüber Profil gewinnt. Die Wahlen zum Europäischen Parlament stellen für DIE LINKE eine politische Chance dar, die sie allerdings auch wahrnehmen muss.